Samstag, 7. September 2013

Review: Saints Row 4

Saints Row 4 ist der Nachfolger von Saints Row the third. Das Spiel wurde von Voliton Inc. entwickelt und kam am 23.August 2013 raus.
Wer Open-World-Spiele mag, der wird SR4 lieben. Saints Row ist ja bekannt für seine total absurde Natur und SR4 übertrifft das einfach nochmal um ein vielfaches. Trotzdem ist es noch lange kein perfektes Spiel. Dieses Review basiert auf der PC-Version des Spiels.

Story

Saints Row the third hat einen der besten Prologe, den ich jemals in einem Videospiel erlebt habe. Nach diesem wusste man sofort wie der Hase in diesem Spiel laufen wird: Übertriebene Action und hauptsächliche sinnlose Gewalt. SR4 hat mich in diesem Aspekt eher enttäuscht: Die Saints greifen irgendein Terroristen-Versteck an und der Hauptcharakter wird, nachdem er eine Atombombe durch Quick-Time-Events entschärft hat, zum Präsident der vereinigten Staaten. Das wirkt schon fast zu seriös für ein Saints Row- Spiel. Danach bietet sich so gut wie keine Möglichkeit diese Position auszunutzen, da die Erde natürlich von Aliens angegriffen wird und die komplette Menschheit in einer Simulation mit ihren jeweiligen schlimmsten Alpträumen gepackt wird. Das darf man sich wie in den Matrix-Filmen vorstellen. Natürlich schaffen es unsere Helden auszubrechen und machen dann Jagd auf den Alien-Anführer Zinyak, indem sie versuchen die Simulation eines virtuellen Steelport zu stören. Das ist so ziemlich die ganze Geschichte von SR4. Wenn man eine packende oder epische Geschichte erwartet, ist man bei Saints Row fehl am Platz. Die Story von SR4 funktioniert als Motivator, aber man sollte diese auch wirklich nicht allzu ernst nehmen (besonders was später mit bestimmten Charakteren passiert). Der etwas seriöse Anfangston wandelt sich schnell in eine Menge Was-zur-Hölle-geht-jetzt-hier-ab-Momente um. Grade so um die 50% beim Fortschrittsbalken saß ich zwischendurch mit einem fetten Grinsen vor dem Bildschirm und musste teilweise aufpassen, dass ich vor lauter Absurdität nicht am Boden lag vor Lachen. Das ist allerdings nicht jedermanns Humor und ich kann mir gut vorstellen, dass das auch viele Leute abschrecken kann. Ich persönlich hatte gegen Ende des Spiels große Probleme die Zusammenhänge von einigen Missionen zu verstehen, da sehr viel auf die Story der ersten drei Teile eingegangen wird. Ich habe allerdings nur Saints Row the third ungefähr zur Hälfte durchgespielt und konnte daher viele Dinge aus SR4 einfach nicht nachvollziehen. Es wäre super gewesen, wenn es am Anfang einen Schnelldurchlauf durch die Geschichte der Saints gegeben hätte. Das hat mein Genuss mit diesem Spiel wenig gestört.
Die Nebenmissionen sind meistens irgendwelche Aufgaben, wo man verschiedene Aktivitäten innerhalb der Simulation machen musste, um diese weiter zu stören. Die Nebenquests werden allerdings schnell etwas langweilig und gingen mir auch zum Teil wirklich auf den Keks. Z.B. beinhalten fast alle Missionen von Kinzie das Hacking-Minispiel. Jedoch sind es die Belohnungen auf jeden Fall wert (Upgrades für die Fähigkeiten, neue Waffen etc.). Man muss an dieser Stelle die, im Gegensatz dazu, exzellenten Loyalitäts-Missionen für die einzelnen Crew-Mitglieder hervorheben. Diese funktionieren ähnlich wie die in Masseffect: Nachdem man die Mitglieder aus ihrem Alptraum gerettet hat und auf sein Schiff gebracht hat, kann man eine persönliche Bitte von diesen erfüllen. Die Missionen selber sind eigentlich nur Referenzen zu anderen Spielen, wie zum Beispiel Metal Gear Solid oder Streets of Rage. Allerdings spielt man dann eher eine Parodie des betreffenden Spiels. Diese treffen bei mir als Vollzeitnerd natürlich sofort ins Schwarze und entsprechen auch genau meinem Humor.
Die Charaktere selbst sind ebenfalls ein absolutes Highlight und haben meiner Meinung nach auch echte „menschliche“ Merkmale, die sie ausmachen. In SR4 gibt es quasi keine Person, die ich nicht leiden kann und ich könnte mich auch nicht für eine Lieblingsperson entscheiden; selbst der Bösewicht, der Alien-Anführer Zinyak, ist total liebenswert. Die Interaktionen zwischen den Charakteren lässt mich über die mehr oder weniger Standard-Hauptgeschichte hinwegsehen. Es ist einfach nur herrlich wie sich ein Pierce Washington und eine Kinzie Kensington über irgendwas total Absurdes wie Energy-Drinks unterhalten. Die Synchronstimmen haben einen fantastischen Job vollbracht, besonders die Stimme von Zinyak gefällt mir sehr gut und passt gut zum Charakter.  Einige Dialoge sind allerdings auch sehr merkwürdig, besonders dass der eigene Hauptcharakter ohne Problem mit jedem Charakter auf dem Schiff eine heiße Nacht haben kann. Ich muss die Entwickler für diese unglaubliche Freiheit loben. Der Spieler kann alles machen wozu er/sie grade Lust hat und sei es noch so absurd. Man muss das Wort merkwürdig hier sehr wörtlich nehmen: Das vergisst man so schnell einfach nicht. Das kann man auch von der ganzen Geschichte sagen: Sie ist merkwürdig.

Grafik

SR4 benutzt die gleiche Engine wie sein Vorgänger. Das Optionen-Menü ist deshalb reichlich bestückt und man kann sich das Spiel für fast jede PC-Klasse einstellen. Allerdings bedeutet das auch, dass das die Grafik vom technischen Standpunkt her nicht auf dem neuesten Stand ist und das merkt man besonders, wenn man sich die Gesichter der Charaktere anguckt. Wer sich genauer für die technische Umsetzung interessiert dem empfehle ich den Port-Report von PC-Gaming-Wiki.
Die Stadt Steelport (die in diesem Spiel natürlich eine Simulation ist) hat sich vom Aufbau her kaum verändert. Allerdings wurden überall futuristisch aussehende Neon-Lichter angebracht. Dadurch entsteht eine SciFi-Atmosphäre, die einen auch wirklich packt. Diese ist allerdings auch wieder stark geschmacksabhängig. Als ich das „neue“ Steelport zum ersten Mal gesehen habe, war ich wirklich beeindruckt wie gut die Stadt aussieht. Die Entwickler machen durch die Farbwahl sehr deutlich was dem Spieler helfen kann, also freundlich ist, und was als feindlich angesehen werden kann. Hellblau bedeutet, dass es nützlich ist oder den Saints gehört, und Rot bedeutet es ist von Zinyak. Diese Mentalität zieht sich durch das ganze Spiel, auch auf die Passagen, die nicht in der Simulation stattfinden. In den Minispielen ist es aufgrund der Farbwahl und durch Markierungen auf der Minimap quasi immer sofort klar was man machen muss und wo man hin muss.
Es ist auch sehr interessant was teilweise mit der Grafik für „Special-Effects“ gemacht und das ganze System einfach in eine komplett andere Richtung gedreht wird: Zum Beispiel gibt es in der Stadt Spalte, in denen ein Minispiel stattfindet. In der Nähe von diesen werden alle Passanten absichtlich „geglicht“, das heißt die 3D-Modelle werden verzehrt. Ich will nicht zu viel verraten, aber 8-Bit-Fans werden ebenfalls auf ihre Kosten kommen. Allgemein kann man sagen, dass die Grafik viel von kleinen Details, wie zum Beispiel die absichtlichen Artefakte an den Kanten der Gebäude, lebt und dadurch auch für einen fantastischen Grundton zum Spiel angibt.
Der Charakter-Editor ist derselbe wie er auch schon in Saints Row the third verwendet wurde mit paar neuen Optionen. Das ist eine sehr gute Sache, da dieser eine ganze Menge Einstellmöglichkeiten bietet. Man kann sich wirklich DEN Charakter machen, den man gerne spielen will. Ich zum Beispiel nehme, wenn es diese Option gibt, immer einen Charakter mit möglichst grüner Hautfarbe (ich mag das einfach ohne bestimmten Grund) und da ich in Saints Row the third schon eine Frau gespielt habe (hat die Münze entschieden), wollte ich das in SR4 so weiter führen. Man kann aber auch ohne Probleme einen pinken Hulk oder eine magersüchtige Tunte spielen, wenn man das gerne möchte. An dieser Stelle möchte ich die Entwickler noch mal loben: Das Spiel gibt einem keinerlei Vorgaben was man spielen darf oder was man innerhalb der Simulation machen will.

Gameplay

Hier liegt meiner Meinung nach sowohl die größte Stärke als auch mein größtes Problem mit SR4. Das Spiel ist ein Third-Person-Shooter, indem der Spieler allerdings auch schnell Zugriff auf Superkräfte bekommt (dazu aber später mehr). Das eigentliche Schießen fühlt sich meiner Meinung nach nicht wirklich befriedigend an, da den Waffen der Kick fehlt. Allerdings wird durch das die schiere Waffenvielfalt und Möglichkeit zur begrenzten Individualisierung voll und ganz ausgeglichen. Es sind sowohl alte Klassiker, wie die Shotgun oder der Raketenwerfer, als auch total absurde (aber richtig interessante) Waffen, wie die Schwarzes-Loch-Kanone, vertreten. Man kann jede Waffe zudem mit linearen Upgrades, wie Schaden oder Magazingröße, aufrüsten (das Geld dazu bekommt man von Aktivitäten). SR4 scheint meiner Meinung nach ein wirkliches Balancing-Problem zu haben, da eine vollausgerüstete Pistole fast jede Kampf-Situation löst. Die Waffen sind meiner Meinung nach viel zu stark. Die meisten Aliens sind mit einem gezielten Kopfschuss aus der Pistole tot. Nur die sogenannten Wächter (größere Minibosse) brauchen tatsächlich mal größere Waffen, wie den Raketenwerfer, um in angemessener Zeit getötet zu werden.
Schießen ist ein Aspekt, aber das wirklich neue in SR4 sind die Superkräfte. Man bekommt ziemlich am Anfang des Spiel Fähigkeiten wie Super-Sprint oder einen Eis-Blast, die natürlich auch wieder mit neuen Effekten aufgewertet werden können. Dazu muss man Daten-Cluster sammeln, die über die ganze Stadt verteilt sind. Auch können verschiedene Elemente, wie Feuer, Eis oder Gedankenkontrolle, ausgewählt werden. Ich persönlich finde, dass die Superkräfte sich wirklich fantastisch anfühlen und dem Spiel einen gewissen „Fluss“ verleihen. Man kann sich sehr schnell über die Karte bewegen und kann den Kampf gegen Zinyaks Truppen variieren. Allerdings zeigt sich auch hier wieder ein Balancing-Problem: Die Kräfte sind einfach viel stark. In Saints Row the third musste man sich noch ein Auto klauen und vielleicht sogar aufmotzen, um sich einigermaßen schnell in der Stadt zu bewegen. Dieses Feature ist auch in SR4 noch da, macht allerdings keinerlei Sinn mehr. Man ist durch den Super-Sprint und den Super-Sprung schneller als jedes Auto jemals sein würde. Das hat einen sehr unschönen Nebeneffekt: SR4 steckt in einer Identitätskrise. Ist es nun ein Superhelden-Spiel oder ein Gangster-Spiel? Bei dieser Frage scheinen sich die Entwickler auch nicht ganz einig zu sein. Zum Beispiel warum kann man überhaupt noch Autos aufmotzen, wenn es praktischer ist einfach durchzurennen. Warum kann man Verbündete in den Kampf holen, wenn man genug Massen-Kontroll-Fähigkeiten hat, um alle Sachen komplett alleine zu schaffen. Die Verbündeten haben erst nach den Loyalitätsmissionen Superkräfte. Davor machen sie praktisch keinen Schaden und kommen dem Hauptcharakter auch nicht hinterher. So sehr ich die neuen Kräfte liebe, so sehr muss ich diese Design-Entscheidung auch in Frage stellen. Ich bin gespannt was Voliton für Saints Row 5 (wenn es denn kommt) planen.
Es gibt viel zu tun in Steelport. Manchmal bin ich froh, dass die meisten „Nebenaktivitäten“ in Form einer Nebenquest erledigt werden müssen. Wer Saints Row the third gespielt hat, wird sich wohl noch an die verschiedenen Minispiele erinnern, die dazu dienen um Teile der Stadt zu übernehmen. Dies ist in SR4 nicht anders. Viele Aktivitäten wurden aus dem dritten Teil  mehr oder weniger übernommen. So muss man zum Beispiel mit einem Raketenwerfer innerhalb eines Zeitlimits möglichst viel Schaden verursachen. Aber es gibt auch sehr viele neue und wirklich innovative Spiele, wie zum Beispiel eine Platformen-Sektion oder ein Bioshock-ähnliches Hacking-Minispiel. Es ist sehr interessant was die Entwickler aus dieser mittlerweile schon recht alten Engine noch raus geholt haben. Allgemein kann man sagen, dass die Aktivitäten eine wirkliche Abwechslung zum Alien-tot-ballern ist. Meistens werden diese dann auch recht gut erklärt und mit ein bisschen Skill können diese auch schnell gemeistert werden. Man bekommt je nach Leistung eine Bronze-, Silber- oder Goldmedaille. Mit Bronze gilt die Aktivität als erfüllt.

Urteil

SR4 ist ein Spiel an das ich mich noch lange erinnern werde. Viele kleine Details, wie die Waffen, sind es wert mit Kumpeln darüber zu reden und ich werde vielleicht auch irgendwann mal den Coop-Modus mit jemandem ankratzen. Allerdings muss ich zugeben, dass das Spiel auch einige Probleme besitzt über die man nicht einfach wegsehen kann. Besonders der sehr einfache Schwierigkeitsgrad durch die starken Kräfte und Waffen trübt meine Freunde am Spiel etwas. Es bleibt aber bei einem sonst sehr gut umgesetzten Spiel, was mir eine Menge Spaß gemacht hat.
„Es ist ein Spiel mit Aliens. 10/10“  - Koyki


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen